Michelangelo Buonarotti
1475 - 1564
I.
Vor seiner Größe muß das Wort
verlieren,
Den Blinden war sein Licht zu
hell entbrannt;
Leicht tadelt man das Volk,
das ihn verkannt,
Lorbeer sucht seinen Wert
umsonst zu zieren.
Stieg er nicht zu des Irrtums
Nachtrevieren,
Uns zu belehren, der zu Gottes
Land
Des Himmels Tore
unverschlossen fand?
Er! dem die Vaterstadt
verschloß die ihren!
Danklose Stadt, dir selbst zum
Schimpf zu dienen,
Hast du als Unglücksborn, als
überreicher,
dem besten Sohn kredenzt die
herbste Pein.
Nur dies vernimm: ein Stachel
soll dir’s sein.
So würdelosen Bann trug nie
ein Gleicher,
Wie nie ein Größrer je, als er,
erschienen!
II.
Er stieg vom Licht hinab zum
tieffsten Grunde,
Sah beide Höllen, dann den
Flug zu wagen
Zu Gott empor,
begeistrungsvoll getragen,
Und gab der Welt davon erhabne
Kunde,
Und ließ, ein Stern, mit Glanz
und Kraft im Bunde,
Ewge Geheimnisse uns Blinden
tagen;
Und ihm wie allen, die als
Helden ragen,
Ward schnöder Löhn auf diesem
Erdenrunde!
Ach! daß sein werk, von
heilgem Drang geboren,
Ins Herz dem argen Volke
Ehrfurcht flöße!
Doch dem Verdienst wird Undank
zum Gewinn.
Wär ich wie er zu gleichem Los
erkoren:
Für harten Bann gäb ich mit
seiner Größe
Das höchste Glück der Erde
freudig hin!